Über das spannende Thema User Experience (UX) und Usability spreche ich mit Patrick Ziegler in der einhundertzweiundzwanzigsten Episode des Anwendungsentwickler-Podcasts.
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Inhalt
Allgemeines zur Person
- Wie ist dein Name und wo arbeitest du (falls gewünscht)?
- Patrick Ziegler, Agentur für Design und Beratung mit ~15 MA
- An welchen Projekten arbeitest du zur Zeit in deinem Tagesjob?
- Relaunch einer Webseite (Konzeption, Design, Rollout), Prozessanalysen, Schulgründung
- Wie bist du zur Informatik bzw. Softwareentwicklung gekommen?
- Umwege über Studium, Lehramt, Soziologie, IT, ursprünglich Zocken, später dann Hinterfragen „Wie geht das eigentlich?“
- Welche Ausbildung bzw. welches Studium hast du im Bereich der Informatik absolviert?
- Fachinformatiker Anwendungsentwicklung
- Mit welcher/n Programmiersprache/n arbeitest du im Alltag?
- Notgedrungen AppleScript ;-), sonst aber C#, JavaScript (Angular, React), R
- Was ist deine Lieblingsprogrammiersprache und warum?
- R, weil sie unglaublich schlank und elegant ist, sonst an sich das ETL-Framework SSIS
Usability und User Experience
- Was sind Usability und User Experience?
- Usability = Gebrauchstauglichkeit, User Experience = Vor Benutzung, Während der Benutzung, Nach der Benutzung
- Warum brauchen wir UX?
- Weil ohne gute Benutzbarkeit Produkte nicht oder nur ungern genutzt werden. Auch: Fehleranfällig
- Welche Beispiele gibt es für gute UX?
- Neuland-Marker. Farbe hinten drauf, „Rollböppel“
- Welche Beispiele gibt es für schlechte UX und was hätte man anders machen können?
- SAP, Norman Doors
- Wie misst bzw. testet man die UX seiner Software?
- Net Promoter Score, Quantitative und Qualitative Benutzerbefragungen
- Hat UX auch etwas mit ansprechendem Design zu tun?
- Ja, wobei visuelle „Ästhetik“ keine so große Rolle spielt wie ein sauber designter Prozess
- Was macht ein UX-Experte?
- Konzeption, Entwurf und Umsetzung oder Begleitung von kompletten Projekten oder UX-Teilen aus Projekten, (Wireframes, Prototypen, Workshopplanung und Durchführung, Benchmarking, Interviews, Usability-Tests, Fokusgruppen)
- Wie wird man zum UX-Experten?
- Da gibt es verschiedene Optionen, zum einen relativ klassisch über das Studium. Es gibt direkt Studiengänge „User Experience Design“, die sich mit der Thematik beschäftigen. Oder für den digitalen Background Mensch-Computer-Design. Oder eben Industriedesign, alles Studiengänge mit hohem Grad an Benutzerfokussierung. Alternativ dazu gibt es die Option, den Weg über Zertifizierungen zu gehen. Da ich selbst 3 Kinder habe und für ein Vollzeitstudium momentan keine Kapazitäten vorhanden sind, habe ich diesen Weg gewählt. Das UXQB (User Experience Qualification Board) ist eine Organisation, die aus dem Deutschen Berufsverband der Usability Professionals (UPA) gegründet wurde. Da gibt es verschiedene Trainings, eins davon habe ich im Fachinformatiker-Forum auch schon in einem Blog-Post rezensiert.
- Welche Tools oder Methoden setzen UX-Experten ein?
- Da gibt es ganz verschiedene Ansätze. Entweder man geht über die emotional-kreative Route, wählt den analytischen Weg, oder nutzt eine Mischung aus beidem. Je nach Problem. Geht es eher um ein konkretes Problem, empfiehlt sich meiner Erfahrung nach eher ein analytischer Ansatz aus Fokusgruppen, A/B-Tests und konkreten, sogenannten kontextuellen Interviews mit vom Problem betroffenen.
- Soll eine Innovation geschaffen werden ohne ein konkretes Problem, sind es oft eher Methoden aus dem Bereich Design Thinking und Ideation, die zum Einsatz kommen. Da geht es erstmal darum, zu potentiellen Geschäftsfeldern einer Firma möglichst viel Input zu sammeln, der dann in späteren Runden und Iterationen verdichtet und konkretisiert wird.
- Zum Tooling kommt es auch auf das Problem an. Oft zum Einsatz kommen aber verschiedene Tools zum Erstellen von Wireframes oder Klickdummies, zumindest bei Softwareprojekten. Für eher analogere Ansätze tun es oft auch Skizzen oder neuerdings 3D-Drucke. Was man aus dem Rapid Prototyping eben so kennt. Die steigende Menge an Makerspaces, die es in vielen Städten gibt, ist da durchaus von Vorteil.
- Was können Softwareentwickler tun, um ihre Software benutzerfreundlicher zu gestalten?
- Zu allerst einmal den Benutzern zuhören, deren Problem die Software lösen soll, damit auch alle am Projekt Beteiligten wissen, worum es geht. Bei „neuen“ Problemen empfiehlt sich zudem meiner Erfahrung nach eine iterative Vorgehensweise, z.B. Scrum. Was viele Entwickler gar nicht wissen, ist, dass es für so ziemlich alle Systeme und von allen Herstellern sogenannte Styleguides gibt, die schon jahrelang gesammeltes Wissen rund um die Gestaltung von Benutzeroberflächen enthalten. Z.B. von Apple, Microsoft, Google, Oracle und SAP.
- Darüberhinaus ist es natürlich immer gut, in regelmäßigen Usability-Tests (idealerweise vor und nach einem Release zu Vergleichsgründen) abzufragen, wie bestimmte Features angenommen werden. Wichtig ist hier meiner Einschätzung nach besonders, mit tatsächlichen potentiellen Nutzern zu sprechen, nicht mit Käufern der Software.
- Gibt es konkrete Tipps, um bei der täglichen Arbeit UX miteinzubeziehen?
- Es gibt ein großartiges Buch für Entwickler von Software mit dem Namen Don’t make me think*, dessen Lektüre ich jedem wärmstens ans Herz legen kann. Das oberste Credo ist hier für mich insgesamt, das eigene Ego hinten anzustellen und das Bedürfnis der Benutzer an oberste Stelle zu setzen. Um bzgl. der Methoden und Co. auf dem aktuellen Stand zu bleiben, lohnt es darüber hinaus, sich mit anderen Leuten zu vernetzen, auf Meetups zu gehen und/oder diverse Newsletter rund um das Thema zu lesen (z.B. Nielsen Norman Group).
- Wie sieht ein Entwicklungsprozess aus, der UX optimal einbindet?
- Da gibt es tatsächlich einen in der ISO 9214 spezifizierten Prozess für, nämlich den „Prozess für menschzentrierte Gestaltung“. Allgemein ist aber jedes Projektvorgehen, das Iterationen und regelmäßige Lieferungen an Benutzer vorsieht gut geeignet, für eine gute Benutzererfahrung zu dienen.
Aus- und Weiterbildung
- Bildest du selbst Entwickler-Nachwuchs aus und wenn ja, wie ist das Vorgehen?
- Momentan nicht, bei meinem letzten Arbeitgeber habe ich das aber getan. Mein Vorgehen als solches war, Azubis und Praktikanten so oft wie möglich auf Augenhöhe in Problemlösungen mit einzubeziehen und sie da abzuholen, wo sie grade stehen.
- Was ist das letzte Fachbuch mit Bezug zur Programmierung, das du selbst gelesen hast?
- Das ist schon eine Weile her und dürfte The Clean Coder* von Robert C. Martin gewesen sein. Wobei das eher ein permanent genutztes Arbeitsbuch als ein „Einmal gelesen und dann weggelegt“-Buch ist. Momentan bin ich eher auf Meta- und Projektebene in Printliteratur unterwegs und lese Beiträge mit Programmierbezug meist online.
- Was ist dein absolutes Lieblingsbuch mit Bezug zur IT/Programmierung und warum?
- Ich muss gestehen, so viel technische Literatur mit IT oder Programmierbezug lese ich gar nicht. Das oben schon angesprochene Don’t make me think* von Steve Krug ist aber schon sehr oben dabei, und es hat auch einen Bezug zur Web-Entwicklung.
- Welche Quellen kannst du für die Aus- und Weiterbildung im Bereich Programmierung empfehlen und warum?
- Als jemand, der aus der .NET-Ecke kommt, natürlich so gut wie alles aus der MSDN. Da gibt es vom Starter „Hello World“ bis zur Implementierung komplizierter Netzwerk-Anwendungen so ziemlich zu allem einen passenden Artikel mit „How-To“-Block.
- Ansonsten bin ich großer Fan vom Austausch auf meetups und Konferenzen. Imho geht wenig über den Austausch mit anderen Fachkolleg_innen, wenn es darum geht, praxisrelevante Inhalte zu lernen.
- Hast du Tipps zur Aus-/Weiterbildung für angehende Softwareentwickler/-innen?
- Netzwerken ist das A und O. Niemand weiß alles selbst, aber durch ein großes Netzwerk an anderen Menschen bekommt man im Zweifel immer neue Impulse zugespielt, sei es zu Technologien oder zu Weiterbildungen rund um den eigenen Interessensbereich.
- Hast du Tipps für Ausbilder/-innen im IT-Bereich?
- Packt den Satz „Das haben wir hier schon immer so gemacht“ ganz weit weg und versteift euch nicht auf Technik. Das konkrete technische Handwerkszeug ist zwar wichtig, ein grundlegendes Verständnis von bestimmten Vorgängen zu vermitteln ist imho aber wichtiger als die konkrete Implementierung eines Algorithmus in Sprache X. Wer einmal verstanden hat, was ein Bubblesort macht oder die Levenshtein-Distanz ist, wird das nach kurzer Einarbeitung vermutlich in vielen Programmiersprachen hinbekommen.
Abschluss
- Haben wir noch Themen vergessen, die wir unbedingt besprechen sollten?
- Interdisziplinäre Teams und kundennahe Kommunikation ist noch ein extrem wichtiges Ding für gute Lösungen.
- Wo können die Hörer mehr über dich erfahren bzw. dich kontaktieren?
- Twitter, Xing, Fachinformatiker.de, mein momentan spärlich bestückter Blog und im Rahmen der Schulgründung.
Literaturempfehlungen
Links
- Permalink zu dieser Podcast-Episode
- RSS-Feed des Podcasts
- Patrick Ziegler – Trainer für User Experience Design
- Usability und du – Ein Seminarbericht und eine Übersicht über UI/UX
- Joel on Software: The Joel Test: 12 Steps to Better Code
- International Usability and UX Qualification Board
- UI elements and interaction (Styleguide von Google)
- Nielsen Norman Group: UX Training, Consulting, & Research
- Lehrgebiet Informationssysteme: SQL Island
- OWASP Top Ten
Und weil’s so viel Spaß macht, kann man mich jetzt auch mieten. Trainings & Workshops, Vorträge, Nutzungskontextanalysen, Usability Tests, Begleitung direkt im Projekt. Mehr unter https://www.patrickziegler.de
Coole Sache! 😀 Viel Erfolg wünsche ich dir schonmal! Habe deine Seite in die Shownotes gepackt.