Über seine Arbeit als IT-Freelancer erzählt Christian Dröge in der einhundertsiebzigsten Episode des IT-Berufe-Podcasts.
Podcast: Play in new window | Download (Duration: 1:11:38 — 29.3MB)
Abonnieren: Apple Podcasts | Spotify | RSS
Die Arbeit als IT-Freelancer
Allgemeines zur Person
- Wie ist dein Name?
- Christian Dröge, 43 Jahre alt, aus Frankfurt. Ich bin seit 2007 Freelancer in der IT.
- An welchen Projekten arbeitest du zur Zeit?
- Als IT-Consultant bin ich zurzeit in einem Digitalisierungsprojekt bei einem internationalen Real Estate Asset Manager, der Immobilien-Fonds verwaltet.
- Hier habe ich mit einem IT-Freelancer-Kollegen (Software Entwickler/Architekt) eine Art ERP (Enterprise Resource Planning) bzw. ein Portfolio Management System mit DWH (Data Warehouse) gebaut. Ziel des Projekts ist es, von der Excel-Welt via Datenbankanwendung zur Web-Anwendung zu kommen.
- Technisch habe ich hier mit Microsoft SQL Server, Access und Excel also mit T-SQL und VBA viel zu tun. Mein Kollege programmiert sehr viel mit C# und PowerShell für Schnittstellen, um u.a. CSV- und XML-Dateien zu importieren und exportieren.
- Ich beginne bald noch ein weiteres Projekt als Requirements Engineer bzw. Anforderungsmanager im öffentlichen Sektor, wo ich es mit Oracle-Datenbank, XML, BPMN und UML zu tun habe. Das bestehende Projekt bzw. System betreue ich dann ein bisschen nebenbei.
- Wie bist du zur Informatik gekommen?
- Über das Computerspielen hatte ich schon in der Kindheit mit C64, Amiga 500 und PC immer schon viel Spaß mit dem Computer. Ende der 90er kam noch das Internet dazu.
- In den 90ger-Jahren habe ich ein Fachabitur Wirtschaft und eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann gemacht. Ich wollte unbedingt etwas Kreatives studieren, weil ich gerne zeichne und mir Comics und Brettspiele ausdenke. Aber mein Wunsch Kommunikationsdesign hat nicht geklappt.
- Irgendwann wusste ich, dass ich etwas Kreatives bzw. Technisches erschaffen können muss, um langfristig erfolgreich und unabhängig zu sein. Als Kaufmann braucht man ja jemanden, der ein Produkt bzw. Dienstleistung erschaffen kann, um es verkaufen zu können.
- Welche Ausbildung bzw. welches Studium hast du im Bereich der Informatik absolviert?
- Ich habe ein FH-Diplom in Wirtschaftsinformatik.
- Angefangen habe ich mit Medieninformatik, aber darunter hatte ich mir etwas anderes vorgestellt.
- Vor paar Jahren habe ich auch an der Uni Bamberg Wirtschaftsinformatik studiert, um einen Master berufsbegleitend zu machen. Habe ich aber nach 3 Jahren abgebrochen, da zu aufwändig und zu wenig Mehrwert für einen IT-Freelancer wie mich.
- Mit welcher/n Programmiersprache/n arbeitest du im Alltag?
- Hauptsächlich VBA mit SQL.
- Was ist deine Lieblingsprogrammiersprache und warum?
- Mir gefällt aus dem Studium Java und im Job bzw. Fortbildung C#, da einfacher als C++ (Studium). Aber ich kann aktuell nur noch VBA gut, da ich direkt bei den Fachabteilungen arbeite und die haben nur Microsoft Office und somit VBA im Einsatz.
IT-Freelancing
- Welche Dienstleistungen bietest du genau an?
- IT-Beratung mit Schwerpunkt Business Analyse und Requirements Engineering für Datenmanagementlösungen also Datenbanken und Business Intelligence.
- Vor Projekten berate ich die Kunden zu Business Cases oder Make-or-buy-Entscheidungen.
- Ich berate auch dabei, welche Rollen für das Team benötigt werden. Und am Ende gibt es „Lessons Learned“.
- Im klassischen Wasserfallmodell erstelle ich z.B. Pflichtenhefte. Hier wird oft DOORS eingesetzt.
- Methodiken, die ich einsetze: Pflichtenheft, UML (Aktivität, UseCase), BPMN (SwimLanes, Prozessmodellierung).
- PowerPoint setze ich auch gerne zum „Malen“ von Prozessen ein. Visio hat meist niemand, genau wie Microsoft Project. LucidCharts ist auch interessant für kleine Projekte.
- Weiterer Schwerpunkt von mir: Datenbanken, Business Intelligence, Datenmodellierung, XML-Schnittstellen, relationale Datenbanken, Microsoft SQL Server/Oracle. Daten modellieren und für Fachbereich bereitstellen mit Excel/Access, PowerBI etc.
- Bei „Make-or-buy“ schaue ich, ob es Lösungen am Markt gibt („best of breed“). Sonst bauen wir die selbst.
- Prototyping ist dabei immer wichtig und macht auch viel Spaß.
- Viele Kunden haben Daten noch in PDF-Dateien und Excel und sind noch längst nicht bei „Big Data“ angekommen!
- Wie sieht dein Alltag als Freelancer aus? 9-to-5 oder Überstunden ohne Ende?
- Wenn die Familie versorgt ist, setze ich mich an den Computer und bearbeite meine E-Mails (erst die wichtigen des Freelancers, dann die der Kundenprojekte) oder fahre zum Kunden.
- Arbeitest du wirklich „selbst“ und „ständig“?
- Ich arbeite in den Projekten selbst. Beim Drumherum (Büro, Papierkram, Buchhaltung, etc.) unterstützt mich meine Frau, die für mich seit 10 Jahren arbeitet.
- Ständig arbeite ich nicht. Ich bin natürlich immer an Methoden, IT und Wirtschaft (also Prozessen und Management) interessiert. Ich arbeite nicht mehr als andere. 40 Stunden pro Woche.
- Wann und warum hast du den Entschluss gefasst, dich selbstständig zu machen?
- Während meines ersten Projekts als festangestellter IT-Berater. Ein Kollege hat mir gesagt, er mache sich jetzt selbstständig, und mir empfohlen, das auch zu tun.
- Mein Ziel war, selbst über die Projekte entscheiden zu können und natürlich auch mehr zu verdienen.
- Vorher war ich Praktikant und habe mitbekommen, dass Berater 1.000 EUR Tagessatz haben. Das hat mich schon beeindruckt.
- Wie lange dauern deine Projekte?
- Ich mache eher lange Projekte, also durchaus mehrere Jahre.
- Oft gibt es auch Folgeprojekte, denn die Systeme haben eine lange Lebensdauer. Da kommen dann weitere Anforderungen dazu.
- Wie entscheidest du dich zwischen konkurrierenden Projekten?
- Das Projekt, welches zur meiner Rolle, meinen Skills und zu meiner Lebenssituation passt, nehme ich an. Also IT-Berater (Datenbanken), Remote, langfristig (> 6 Monate) und höchster Stundensatz ist am interessantesten.
- Ich habe meist ein Hauptprojekt und ein Nebenprojekt in „Teilzeit“.
- Wie findest du deine Kunden/Projekte?
- XING, LinkedIn, Freelancermap, Lyncronize, Gulp, oder Personalberater (z.B. Hays) kontaktieren mich.
- Wie bist du in die Selbstständigkeit gestartet? Was war dein erstes Projekt?
- Ein Kollege hat sich selbstständig gemacht und mich „inspiriert“.
- Ich hatte einen „Deal“ mit meinem Arbeitgeber, dass ich 25% vom Tagessatz abgebe.
- 2007 lag ich bei 67,50 EUR pro Stunde „all in“. Das war viel Geld für mich!
- Als IT-Freelancer konnte ich innerhalb eines Monats mein Einkommen im Vergleich zu meinem Gehalt als festangestellter IT-Berater verdreifachen.
- Festangestellt hatte ich zwar eine gewisse „Sicherheit“, aber ich habe es einfach ausprobiert und bin das Risiko eingegangen.
- Seit 2007 war ich nicht einen Tag ohne Projekt!
- Ist der Freelancer krisenfester als eine Festanstellung?
- IT wird immer gebraucht, aber es kommt auch auf das Unternehmen an.
- Ich habe als Junior IT-Consultant im Jahr 2008 schon einmal über 20.000 EUR Umsatz im Monat durch viele Überstunden verdient. Das ist als Festangestellter nicht so einfach möglich.
- Was sind aus deiner Sicht die Vor- und Nachteile des Freelancings ggü. einer Festanstellung?
- Mehr Freiheit (wo und was) und (viel) mehr Geld als Fachkraft.
- Kein Geld bei Urlaub, Krankheit, wenn kein Projekt läuft und während Fortbildungen.
- Wenn man oft krank ist, ist der Job Freelancer nichts! Und viel Urlaub ist meist auch nicht drin, denn in der Zeit verdient man nichts.
- Arbeitest du eher remote oder vor Ort bei Kunden?
- Vor Corona vor Ort. Jetzt ca. 80% Remote.
- Wie hast du deinen (ersten) Stundensatz bestimmt?
- Deal mit Arbeitgeber: Stundensatz – 25%
- Ansonsten Durchschnitt IT-Freelancer-Marktpreis (Projektmanager, Berater, Entwickler, Admin, Tester, Support), immer mehr als jetzt und nicht weniger als aktuell, weniger nur, wenn es andere Vorteile gibt, wie z.B. 100% Remote.
- 95 EUR ist aktuell der Marktdurchschnitt, geht aber 2021 wieder runter (ca. 10%) wegen 100% Remote-Arbeit.
- Ein hoher Stundensatz heißt aber auch oft: „Den müssen wir schnell wieder loswerden!“ Daher eher am Markt orientieren. Dann ist man „ständig da“ und läuft unter dem Radar.
- Gibt es etwas, das du am Freelancing nicht magst (z.B. Buchhaltung, Akquise)?
- Die Ungewissheit (Trends und Krisen), da ich mir die Projekte nicht selbst ausdenke.
- Buchhaltung ist nichts für mich, aber dafür habe ich meine Frau eingestellt, die Finanzbuchhalterin ist. Wir machen das mit Lexware.
- Lexoffice haben wir uns auch angeschaut, aber das ist nur für „neue“ Freelancer gut, da die Altdatenübernahme nicht so gut geht.
- Website, Profil verwalten, Visitenkarten usw. mache ich alles selbst, weil es mir auch Spaß macht.
- Mein Logo habe ich damals erstellen lassen.
- Wie ist das Verhältnis zwischen Fachlichkeit und dem „Drumherum“?
- 90% meiner Zeit gehen in die Kernarbeit, die verrechenbar ist. 5% brauche ich für das Drumherum. Und nochmal 5% für Fortbildungen.
- Wie hältst du dich technologisch auf dem neusten Stand?
- Recherche im Internet (Fachartikel), Bücher, LinkedIn-Learning und Udemy
- Austausch mit anderen Experten
- Instagram, Podcast
- Ich habe gerne auch mal ein dickes Buch in der Hand.
- Früher habe ich oft Seminare besucht, aber 5 Tage kosten viel und man verdient nichts in der Zeit.
- Heute läuft alles online. Und der Austausch vor Ort war eh meist nicht gegeben, da auch nur ein Schulungsprogramm abgespielt wird.
- Zertifikate kann man auch gut online machen.
- Aktuell: relationale Datenbanken entwickeln sich Richtung Cloud und wieder ist alles neu. NoSQL ist auch wichtig.
- Machst du auch Weiterbildungen in der jeweiligen Domäne?
- Ja, das kann nötig sein.
- Ich unterscheide drei Bereiche: Methodik, Technik, Fachlichkeit/Branche.
- Methodenwissen wie Scrum „hält“ lange im Gegensatz zu Technologie(-Trends). Vor 5 Jahren haben wir noch alles mit WPF umgesetzt, heute macht das keiner mehr, sondern Angular, React etc.
- Teilweise ist es auch unmöglich, bei jeder Technologie (z.B. Webentwicklung, Cloud, KI etc.) mitreden zu können und auf dem neuesten Stand der Technik (Trends) zu sein.
- Branchenwissen ist auch sehr wichtig. Und allgemeine Sachen wie DSGVO, Regularien, Fachbegriffe.
- Wie läuft die Einarbeitung in ein neues Projekt ab?
- Immer gleich: Interview, Dokumentenanalyse, System-Archäologie, Glossar, Recherche.
- Man muss sich schnell einarbeiten können als Freelancer und muss direkt Gas geben, weil man sonst weg vom Fenster ist. Man gibt 100% von Anfang an.
- Daher habe ich viel Erfahrung mit analytischem Denken und kann mich schnell einarbeiten.
- Ich sammle Dokumente und liste sie in Excel auf. Was gibt es schon und was fehlt? Dann führe ich Interviews, um fehlende Daten zu finden.
- Fachbegriffe muss ich auch mal im Netz recherchieren, z.B. in einer Bank Derivate, „Value at Risk“ etc.
- Wo liegt dein Fokus? Bist du Generalist oder Spezialist?
- Ich bin Generalist, aber beides ist gut möglich als Freelancer.
- Der Spezialist (z.B. Entwickler) hat vielleicht eher ein Gewerk und daher kurze Projekte, aber höheren Stundensatz und ist sehr gefragt.
- Ein Generalist (z.B. Projektmanager und Business Analyst) wird eher weniger gesucht, weil man keinen bestimmten Fokus hat, der gezielt benötigt wird.
- Nachteil beim Spezialisten (z.B. Entwickler): Konkurrenz mit Osteuropa/Indien, die sehr gut sind, doch geringere Stundensätze haben.
- Entwickler liegen aktuell bei ca. 80 EUR, Berater bei 90 EUR, Projektleiter bei 100 EUR.
- Hohe Stundensätze (>100 EUR) gibt es insb. für „Trend-Themen“ (z.B. Azure Cloud, Cyber Security, KI, etc.), wenn man dort Architekt ist (also konzipieren und umsetzen kann).
- Ich bin IT-Berater. Kundenkontakt ist mir wichtig. Ich möchte gar nicht 8 Stunden am Tag programmieren.
- Aber auch Berater sollten Technik „können“, damit sie auch mal was umsetzen können und nicht nur „schnacken“.
- Welche Tipps würdest du heutigem IT-Nachwuchs geben, wenn sie Freelancer werden wollen?
- Vorher die Nachfrage überprüfen. Sich selbst überprüfen, ob man Manager, Macher und Verkäufer-Qualitäten hat.
- Altersvorsorge ist grundsätzlich wichtig, egal ob Freelancer oder nicht.
- Viele machen das inzwischen erstmal nebenberuflich und tasten sich langsam ran.
- Man kann z.B. ein eBook schreiben oder das Thema bei Instagram/LinkedIn pushen.
- Aber Technologie ist eh immer gefragt! Die Digitalisierung lässt grüßen.
- Viele Unternehmen hängen auch heute noch auf Excel fest, da gibt es viele Möglichkeiten/Aufgaben für Freelancer.
- Spannende Trends: KI, Cloud, Low Code, Process Intelligence, IoT, Smart Factory.
- Da ist es gar nicht so einfach, den Überblick zu behalten und auf dem Laufenden zu bleiben. Es werden hohe Anforderungen an Freelancer gestellt und man schafft nicht alles.
- Würdest du nochmal zurück in die Festanstellung?
- Ich bleibe Freelancer solange es geht und werde immer (natürlich im Rentenalter weniger) arbeiten. Sonst wird mir langweilig.
- Vielleicht werde ich noch Dozent und gebe mein Wissen weiter. Oder ich schreibe Bücher.
- Eigentlich bin ich als Freelancer zur Überbrückung gestartet und wollte danach Abteilungsleiter werden (von der Fachkraft zur Führungskraft), aber als IT-Freelancer hat man die Chance als Fachkraft wie eine Führungskraft (>100.000 EUR Brutto) zu verdienen.
- Einige machen das auch so: bis Alter 50 als Freelancer arbeiten und dann zurück in die Festanstellung als gut verdienender Abteilungsleiter.
- Vielleicht werde ich auch irgendwann „müde“, immer etwas Neues zu suchen. Dann werde ich vielleicht besser Senior/Partner.
- Aber aktuell würde ich noch zu wenig verdienen als Festangestellter.
Aus- und Weiterbildung
- Was ist dein absolutes Lieblingsbuch mit Bezug zur IT/Programmierung und warum?
- Basiswissen Requirements Engineering* von Klaus Pohl und Chris Rupp.
- Welche Quellen kannst du für die Aus- und Weiterbildung im Bereich IT empfehlen und warum?
- LinkedIn-Learning und Udemy*
- *
Abschluss
- Wo können die Hörer mehr über dich erfahren bzw. dich kontaktieren?
Literaturempfehlungen
Christian empfiehlt Basiswissen Requirements Engineering* von Klaus Pohl und Chris Rupp zum Einstieg in die Thematik. Er holt es immer wieder gerne hervor und schlägt Dinge nach.
Links
- Permalink zu dieser Podcast-Episode
- RSS-Feed des Podcasts
- Stundensatz berechnen: Was Gründer*innen wissen sollten
Neueste Kommentare