Über die Neuordnung der IT-Berufe in den Jahren 2018 und 2020 spreche ich in der einhundertvierunddreißigsten Episode des Anwendungsentwickler-Podcasts.
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Inhalt
Die fünf IT-Berufe (Fachinformatiker der Fachrichtungen Anwendungsentwicklung und Systemintegration, Informatikkaufleute, IT-Systemkaufleute und IT-Systemelektroniker) werden in der Verordnung über die Berufsausbildung im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik beschrieben. Diese wurde im Jahr 1997 erstellt und ist seitdem nicht angepasst worden, was aber auch nicht unbedingt nötig war. Die Inhalte sind nämlich bewusst so allgemein formuliert, dass man nicht alle zwei Wochen die Verordnung aktualisieren muss, nur weil es gerade mal wieder irgendeinen Trend in der IT-Branche gibt. Anstatt konkrete Programmiersprachen oder Netzwerkprotokolle als Lerninhalt vorzuschreiben, werden allgemeine Formulierungen verwendet wie z.B.
- (FIAE) 9.1 Kundenspezifische Anpassung und Softwarepflege (§ 10 Abs. 2 Nr. 9.1)
- 9.1a Anwendungslösungen entsprechend den kundenspezifischen Anforderungen einrichten, konfigurieren und anpassen
- 9.1b Software an eine veränderte Umgebung anpassen und weiterentwickeln
- 9.1c Anwendungslösungen mit Hilfe von Applikationssprachen erweitern
- (FISI) 8.1 Systemkonfiguration (§ 10 Abs. 4 Nr. 8.1)
- 8.1a Rechner- und Systemarchitekturen sowie Betriebssysteme beurteilen und einordnen
- 8.1b Betriebssysteme unter Berücksichtigung ihrer Vor- und Nachteile für bestimmte Anwendungsbereiche auswählen und konfigurieren
- 8.1c Betriebssystemsteuersprachen anwenden
Gerade ist übrigens die Rangliste 2018 der Ausbildungsberufe nach Anzahl der Neuabschlüsse beim BIBB erschienen. Der Fachinformatiker ist auf Platz 7 vorgerückt. Das Interesse an unserem Beruf ist also ungebrochen und wächst sogar. Ein Grund mehr, die Berufsinhalte auf den Prüfstand zu stellen.
Ergebnisse der Vorstudie zur Novellierung der IT-Berufe
Folgende Themen wurden im Rahmen einer Vorstudie (Umfrage bei Arbeitgebern, Schulen, Azubis) als besonders relevant für die Ausbildung identifiziert:
- Wichtige Inhalte: IT-Security, Industrie 4.0, personale und soziale Kompetenzen
- Zusammenlegung von Informatikkaufmann und IT-System-Kaufmann
- Aufteilung der beiden Fachinformatiker in separate Berufe
- Wahlqualifikationen einführen, um stärker spezialisieren zu können
- Abschlussprüfung erneuern (gestreckte Prüfung)
Novellierung der IT-Berufe zum 01.08.2018
Zum 01.08.2018 wurden die IT-Berufe nun zum ersten Mal überarbeitet. Es sind aber nur ein paar wenige Punkte verändert worden, indem das Stichwort „IT-Sicherheit“ ergänzt wurde. Der große Rest ist gleichgeblieben.
Für alle Azubis, die ihre Ausbildung am oder nach dem 01.08.2018 begonnen haben, gilt bereits die neue Verordnung!
Die konkreten Änderungen habe ich aus der Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Berufsausbildung im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik übernommen.
ALT | NEU | |
---|---|---|
3.1f | die Auswirkungen des eigenen Kommunikations- und Informationsverhaltens in beruflichen Kontexten erkennen und Strategien zum verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien anwenden | |
5.4 | Datenschutz und Urheberrecht (§ 10 Abs. 1 Nr. 5.4) | IT-Sicherheit, Datenschutz und Urheberrecht (§ 10 Abs. 1 Nr. 5.4) |
5.4a | Verschlüsselungsverfahren und Zugriffsschutzmethoden anwenden | rechtliche Regelungen und betriebliche Vorgaben zur IT-Sicherheit einhalten |
5.4b | Vorschriften zum Datenschutz anwenden | Bedrohungsszenarien und Schadenspotentiale erkennen und bewerten |
5.4c | Vorschriften zum Urheberrecht anwenden | Schutzmechanismen für informations- und telekommunikationstechnische Systeme anwenden |
5.4d | technische Vorschriften zur Sicherung des Fernmeldegeheimnisses anwenden | Vorschriften zum Datenschutz einhalten |
5.4e | Daten archivieren, nicht mehr benötigte Datenbestände löschen, Datenträger entsorgen | Vorschriften zum Urheberrecht einhalten |
6.2e | Programme unter Berücksichtigung der Wartbarkeit und Wiederverwendbarkeit und Sicherheit erstellen | |
nur für FISIs: | ||
8.2e | Angriffsszenarien auf Netzwerke erkennen und bewerten | |
8.2f | Systeme zur IT-Sicherheit in Netzwerken implementieren |
Man erkennt schnell, dass damit insb. auf die aktuell immer häufiger auftretenden Hacker-Angriffe gegen Netzwerke reagiert werden soll. Aber auch der Datenschutz wurde explizit erwähnt, der inzwischen dank DSGVO aber ja auch deutlich weiter geht als nur das Fernmeldegeheimnis.
Wichtig ist, dass die Anpassungen hauptsächlich in den Bereichen vorgenommen wurden, die für alle IT-Berufe identisch sind. Es geht hier also um Grundwissen und nicht um FISI-Spezialwissen. IT-Sicherheit und Datenschutz sind auch für Anwendungsentwickler absolut wichtig und müssen z.B. bei der Programmierung der eigenen Anwendungen berücksichtigt werden. Wenn vom Anwendungsentwickler Passwörter im Klartext in der Datenbank abgelegt werden, kann der Systemintegrator noch so tolle Firewalls davorschalten, die Daten bleiben kompromittierbar!
Führen des Berichtshefts
Einige gestrichene Paragraphen beziehen sich übrigens auf das Führen des Berichtshefts, insb. der für die beiden Fachinformatiker gültige § 13:
Der Auszubildende hat ein Berichtsheft in Form eines Ausbildungsnachweises zu führen. Ihm ist Gelegenheit zu geben, das Berichtsheft während der Ausbildungszeit zu führen. Der Ausbildende hat das Berichtsheft regelmäßig durchzusehen. (§ 13 ITKTAusbV)
Das Führen von Ausbildungsnachweisen ist aber selbstverständlich weiterhin Bestandteil der Ausbildung. Nur das dies nun für alle Berufe verbindlich im Berufsbildungsgesetz geregelt wird und nicht mehr in den einzelnen Ausbildungsordnungen:
Ausbildende haben Auszubildende zum Führen der Ausbildungsnachweise nach § 13 Satz 2 Nummer 7 anzuhalten und diese regelmäßig durchzusehen. Den Auszubildenden ist Gelegenheit zu geben, den Ausbildungsnachweis am Arbeitsplatz zu führen. (§ 14 (2) BBiG)
Auszubildende haben sich zu bemühen, die berufliche Handlungsfähigkeit zu erwerben, die zum Erreichen des Ausbildungsziels erforderlich ist. Sie sind insbesondere verpflichtet, einen schriftlichen oder elektronischen Ausbildungsnachweis zu führen. (§ 13 7. BBiG)
Geplante Anpassungen in 2020
Die Überarbeitung (Änderungsverordnung) der IT-Berufe 2018 war erst der Anfang. Im Jahr 2020 sollen weitere Anpassungen vorgenommen werden (Neuordnung).
- Inhaltlich wird es um Themen wie IT-Security, Virtualisierung, Cloud-Computing, Big Data oder Mobile Computing gehen. (Vgl. Neuordnung der IT-Berufe 2018 und 2020 (offline))
- Die Berufe Informatikkaufmann und IT-System-Kaufmann sollen stärker voneinander abgegrenzt werden. Der Informatikkaufmann soll ein neues Profil, eine neue Ausrichtung, neue Inhalte und eine neue Berufsbezeichnung bekommen (der Arbeitstitel ist Datenkaufleute). (Vgl. Zukunft der IT-Berufe: Informationen zum Neuordnungsverfahren)
- Einführung einer gestreckten Abschlussprüfung, bei der die Zwischenprüfung durch einen ersten Teil der Abschlussprüfung ersetzt wird.
Katalog der vorläufigen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (Qualifikationskatalog) für Anwendungsentwickler
Vgl. Eckwerte Fachinformatiker/-in
Berufsprofilgebende Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten
- Planen, Vorbereiten und Durchführen von Arbeitsaufgaben in Abstimmung mit den kundenspezifischen Geschäfts- und Leistungsprozessen
- Informieren und Beraten von Kunden, Bearbeiten von Anfragen
- Beurteilen marktgängiger IT-Produkte und kundenspezifischer Lösungen
- Konzeptionierung und Realisierung von kundenspezifischen Softwareanwendungen
- Testen und dokumentieren Anwendungen
- Modifizieren bestehender Anwendungen
- Einsetzen von Projektplanungs- und Steuerungsinstrumenten
- Anwenden von Softwareentwicklungswerkzeugen
- Entwickeln von anwendungsgerechten und ergonomischen Bedienoberflächen
- Durchführen von qualitätssichernden Maßnahmen
- Beseitigen von Störungen in informations- und telekommunikationstechnische Systemen
- Umsetzen, integrieren und prüfen von IT-Sicherheitsmaßnahmen und gesetzlichen Vorgaben
- Schulen und Beraten der Nutzer
- Übergeben der Leistungen an den Kunden
Integrative Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten
- Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht
- Aufbau und Organisation des Ausbildungsbetriebes
- Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit
- Umweltschutz
- Selbstgesteuertes, bedarfs-und handlungsorientiertes Lernen
- Persönliche, soziale und interkulturelle Kompetenzen
Links
- Permalink zu dieser Podcast-Episode
- RSS-Feed des Podcasts
- Verordnung über die Berufsausbildung im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik
- Artikel 1 – Erste Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Berufsausbildung im Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnik (1. ITKTAusbVÄndV) bzw. als PDF bei der IHK Oldenburg
- Infoveranstaltung zur Neuordnung in den IT-Berufen von Stefan Ernst am 19.03.2018
- Neuordnung der IT-Berufe von Michael Assenmacher, DIHK e. V.
Wäre ja interessant zu wissen, wie die endgültigen Änderungen aussehen. Zumal, wenn die Module, wie sie in den Links beschrieben sind, tatsächlich so aufgestellt werden.
Das wird einige Berufsschulen vor ziemlichen Herausforderungen bringen, die nötigen Lehrkräfte zu stellen, die für die Umsetzung nötig sind.
Eine Überarbeitung der Berufe war eigentlich schon länger nötig, schließlich sind Themen, wie z.B. IoT, Cloud-Computing und AR aktuell, wie noch nie. Aber die dementsprechenden Fächer, werden oberflächlich bis überhaupt nicht gelehrt. Stattdessen werden abstrakte Diagramme gelehrt, die in der Praxis in den seltensten Fällen Anwendung findet.
Bereiche wie Embedded und Cyber-Security sind für viele Lehrer ein Fremdwort. Aber ein Fach wie Wirtschaft, wird hoch und runter gebetet, obwohl selbst aktuelle Statistiken sagen, dass Anwendungsentwickler und Systemintegratoren wenig bis fast gar keine Berührungspunkte damit in ihrem Alltag haben.
Hallo fanta, ja, wenn ich das wüsst. Ich bin selbst gespannt, wann es die finalen Inhalte zu lesen gibt! Wie die Berufsschulen dann damit umgehen, planen die Verantwortlichen doch nicht ein. Das müssen die schön selbst regeln! 😉
Ich bin angehender Informatikkaufmann (Abschlussprüfung im Sommer 2020) und verstehe nicht ganz, warum man die Informatikkaufleute nicht mit den IT-Systemkaufleuten zusammenlegt, da die Berufe nahezu identisch sind?! Die Absicht jetzt, aus den beiden Berufen die „Kaufleute für IT-Systemmanagement“ (Vertrieb, Service) und „Kaufleute für Digitalisierungsmanagement“ (eigentlich klassisches Informations- und Wissensmanagement laut Beschreibungen zum Berufsbild, aber weniger die Digitalisierung von Geschäftsprozessen) zu entwickeln, macht für mich aus Praxissicht keinen Sinn.
Was soll die berufliche Perspektive von Kaufleuten für Digitalisierungsmanagement sein, wenn die Tätigkeiten laut ersten Stellenbeschreibungen (für 2020) nahezu identisch zu denen von Kaufleuten für IT-Systemmanagement sind?
Es wäre sinnvoller, hätte man die oben genannten alten kaufmännischen Berufe zusammengelegt und das Profil geschärft, denn die Digitalisierung von Geschäftsprozessen sollte für mein Verständnis zur Kernqualifikation (Beratung von Kunden, Wirtschaftlichkeitsanalyse, …) von IT-Kaufleuten gehören. Das sind klassische Beratungsleistungen, die man hier vollzieht. Dazu muss man keine zwei Monoberufe schaffen, was eigentlich zusammengehört. Das würde bedeuten, dass Kunden zunächst von „Digitalisierungsmanagern“ beraten werden, ehe die „IT-Systemmanager“ ihr grünes Licht geben, wo sie doch selbst beraten könnten. Die Spezialisierung kann dann später mit dem Studium erfolgen, so meine Meinung.
Hallo Heiko, tja, die Entscheidungswege sind nicht immer nachzuvollziehen! 😉 Ich persönlich finde auch die 4 (!) Fachrichtungen des Fachinformatikers nicht so sinnvoll…
Hallo Stefan. Die zwei neuen FR von Fachinformatikern/-innen verstehe ich auch nicht wirklich. In der FR Daten- und Prozessanalyse macht man ja gewissermaßen die Arbeit der Kaufleute. Bei der FR Digitale Vernetzung reden wir eigentlich von der Systemintegration. Auch hier wäre eine Profilschärfung des Berufsbildes bzw. der FR sinnvoller gewesen.
Notfalls hätte man den einen oder anderen Beruf von 3 auf 3,5 Jahre strecken oder Inhalte, die heute zum Allgemeinwissen gehören (sollten), aus dem Lehrplan streichen müssen, um den damit frei gewordenen Platz wiederum mit neuen Inhalten (IT-Sicherheit, Vernetzung, Digitalisierung, was auch immer) zu füllen. Die Schnittmengen der beiden neuen FR zu den neuen Kaufleuten ist einfach so groß, dass sich mir die Sinnhaftigkeit der Trennung nicht erschließt.